Nach Einschätzung der Immobilienwirtschaft wird Deutschland auf einen alarmierenden Tiefpunkt beim Wohnungsbau zusteuern¸ wenn es nicht weitere entschiedene Gegenmaßnahmen gibt. „Die Nachrichten des Statistischen Bundesamts belegen keineswegs eine Wende, der Fehlbedarf wird vielmehr immer größer. Die Zahlen zu den Fertigstellungen in 2023 sind nur Vollzugsmeldungen für Projekte, die noch in der guten alten Zeit unter besseren Bedingungen gestartet wurden‘“, kommentiert ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner die offizielle Vorstellung der Baufertigstellungs-Zahlen. „In den nächsten Monaten können wir davon nicht mehr zehren. Die Folgen der rapiden Zins- und Baukostensteigerungen werden uns dann mit voller Wucht treffen“, warnt Mattner. Marktberichten zufolge könnte sich die Fertigstellung von mehr als 220.000 neuen Wohnungen verzögern. „Die finsteren Aussichten schreien nach einer klugen Antwort der Bundesländer. Jetzt geht es vorrangig darum, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen und finanzpolitisch die Weichen richtig stellen.“
Laut Destatis wurden im Jahr 2023 in Deutschland 294.400 Wohnungen gebaut.
Umsteuern bei der „Staatsquote“
Deutschland kann es sich, betont Mattner, nicht länger erlauben, mit einem staatlichen Anteil von 37 Prozent der Kosten beim Erstellen von Wohnungen die höchste Belastung in Europa zu verursachen. Der ZIA sieht zum Beispiel in der Grunderwerbsteuer einen entscheidenden Hebel. „Umsteuern sollte hier die Devise lauten“, so Mattner. „Die Finanzpolitiker in den Ländern müssen aus den jüngsten Signalen der Steuerschätzer zwingend die richtigen Schlüsse ziehen.“ Die hatten vor einer Woche die Einnahme-Erwartung bei der Grunderwerbsteuer für 2025 auf 12,55 Milliarden Euro beziffert – das wäre gegenüber 2022 ein Rückgang von fast fünf Milliarden. „Wenn die Länder realisieren, dass weniger hohe Steuersätze ein Mehr an Fertigstellungen und damit auch an Einnahmen bringen werden, kann das eine Win-Win-Situation schaffen: mehr Wohnungen plus mehr Einnahmen für den Staat.“ Sätze von bis zu 6,5 Prozent seien „absolut indiskutabel“.
Zudem müssten zumindest temporär kommunale Abschöpfungsmodelle ausgesetzt werden. „Im Ergebnis spült die staatliche Zurückhaltung dann in wenigen Jahren Einnahmen aus dem Bau in die Kasse und stößt die Schaffung neuer Wohnungen an“, erklärt Mattner. „Damit das funktioniert, müssten Bund, Länder und Gemeinden an einen Tisch, um die kurzfristigen Lasten und die späteren Vorteile gerecht zu verteilen. Das Thema ist so wichtig, dass es einen nationalen Kraftakt braucht.“
Der ZIA taxiert die Neubaulücke in Deutschland auf 600.000 Wohnungen. Dieser Wert könnte ohne Korrekturen auf bis zu 830.000 Wohnungen im Jahr 2027 steigen.