Mitte November 2023 brachte das Bundesverfassungsgericht das Haushalts-Kartenhaus der Ampel zum Einsturz. Das höchste deutsche Gericht erklärte das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für null und nichtig. Die Regierungskoalition hatte nicht genutzte Kreditermächtigungen für Corona-Hilfen in Höhe von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) überführt. Das hat das Verfassungsgericht nun untersagt. Damit hat der Haushalt plötzlich ein 60-Milliarden-Loch, das die Koalition an den Rand des Scheiterns gebracht hat. Mit dem Geld sollten auch viele Förderprogramme für die Sanierung und den Neubau finanziert werden. Die von Finanzminister Lindner verhängte Haushaltssperre hat erste Förderstopps bei KfW und Bafa zur Folge.
Und damit sind wir bei einem altbekannten Problem. Investitionen in den Neubau oder die Sanierung von Wohnraum werden langfristig geplant. Investoren, die langfristig planen, brauchen einen stabilen rechtlichen Rahmen. In ihrer Einigung zum Bundeshaushalt 2024 hat die Bundesregierung Mitte Dezember den Klima- und Transformationsfonds (KTF) neu strukturiert, um die Finanzsituation zu stabilisieren. Dafür wird es wohl Abstriche bei der geplanten Heizungs- und Sanierungsförderung ab 2024 geben. Außerdem wurde eine Erhöhung des CO2-Preises ab 2024 beschlossen. Bisher sind vier Förderungen betroffen, weitere können im ersten Quartal folgen.
Erst der Anfang des Förderkahlschlags
Für die Bafa-Förderung „Energieberatung für Wohngebäude“ (EBW) können keine Anträge mehr gestellt werden, vorliegende Anträge werden nicht mehr zugesagt. Immerhin werden Verwendungsnachweise noch geprüft und Zuschüsse ausbezahlt. Einen Antragsstopp gibt es für die KfW-Förderung 297 „Klimafreundlicher Neubau“. Die Haushaltsmittel für 2023 sind aufgebraucht, Förderanträge können nicht mehr gestellt werden. Auch für das KfW-Programm 455 „Investitionszuschuss Altersgerecht Umbauen Barrierereduzierung“ gibt es einen Antrags- und Zusagestopp. Das gleiche gilt für die Förderung genossenschaftlichen Wohnens. Manche Fachleute sehen darin erst den Anfang des Förderkahlschlags.
Gleichzeitig befindet sich der Wohnungsbau in Deutschland im freien Fall. Die sozial orientierten Wohnungsunternehmen haben angesichts der historisch schlechten Baubedingungen aus gestiegenen Kosten, Zinsen und fehlender Förderung zuletzt reihenweise Projekte des bezahlbaren Wohnungsbaus abgesagt. Wie eine neue Umfrage unter den im GdW organisierten Unternehmen zeigt, verschlimmert sich die Lage weiter: 2024 sind weitere 22 Prozent und 2025 sogar 38 Prozent der bereits eingedampften Neubaupläne nicht realisierbar. Über zwei Drittel der im Verband organisierten Wohnungsunternehmen werden in den kommenden beiden Jahren nach gegenwärtiger Lage gar keine Wohnungen mehr errichten können (2024: 68 Prozent; 2025: 69 Prozent der Unternehmen).
Der Negativtrend betrifft auch den sozialen Wohnungsbau. 2024 können 16 Prozent, 2025 sogar 33 Prozent der ursprünglich geplanten Sozialwohnungen der GdW-Mitglieder nicht gebaut werden – das sind rund 6100 Wohnungen, die nicht entstehen. Wegen der ungünstigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reduzieren die Unternehmen geplante Modernisierungsmaßnahmen. Den Rückgang beziffert der Verband für seine Mitglieder im Jahr 2024 mit etwa 13 Prozent und rund 18 Prozent im Jahr 2025. Das bedeutet, dass insgesamt etwa 28.000 Wohnungen nicht den Standards für Klima- und Altersanpassung entsprechen werden. Zusätzlich muss bei weiteren 35.000 Wohneinheiten die ursprünglich geplante Intensität der Maßnahmen erheblich zurückgefahren werden.
Diese bereits schwierige Situation wird durch die von der Regierung vorgeschlagenen Lösungen, wie beispielsweise die degressive AfA, zusätzlich erschwert. Laut einer neuen GdW-Umfrage betrachten 90 Prozent der sozial orientierten Wohnungsunternehmen die degressive AfA als überflüssig bis wenig wichtig, da sie für sie nicht nutzbar ist. Die etwa 1400 Vermietungsgenossenschaften in Deutschland können die degressive AfA aus rechtlichen Gründen nicht in Anspruch nehmen, während die meisten anderen Unternehmen aufgrund hoher Verlustvorträge keinen Nutzen aus der AfA ziehen können.
Pleitewelle am Bau läuft ungebremst weiter
Die gesamte Bauwirtschaft in Deutschland steckt seit Jahren in einer sich verschärfenden Krise. Es gibt einen Mangel an Neuaufträgen, viele Bauprojekte bleiben unvollendet, und die Wohnungsknappheit in vielen Städten nimmt weiter zu. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen ist im ersten Halbjahr 2023 um 27,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Die Gründe für diese Krise sind vielfältig. Als Hauptursachen gelten die rasant gestiegenen Baukosten und das stark gestiegene Zinsniveau. Viele Projekte, die Anfang 2022 noch rentabel waren, sind aktuell wirtschaftlich nicht mehr darstellbar. Auch das Verschärfen der energetischen Vorgaben und das gleichzeitige Zurückfahren der Förderung belastet die Kalkulation der Bauherren zusätzlich. Die Krise im Wohnungsbau hat schon jetzt starke negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Die Pleitewelle am Bau läuft ungebremst weiter und der Wohnungsmangel in den Ballungsgebieten nimmt weiter zu. Ohne sinnvolle politische Intervention und stabile Rahmenbedingungen der Förderkulisse verschärft sich die Krise weiter.
Die Wohnungswirtschaft spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung nachhalti – ger und energieeffizienter und bezahlbarer Wohnräume. Dabei ist eine verlässliche Förderung von zentraler Bedeutung, um Investitionen zu ermöglichen und Anreize für nachhaltige Maßnahmen zu schaffen. Damit die Wohnungswirtschaft diese notwendigen Maßnahmen ergreifen kann, ist eine verlässliche Förderung unerlässlich. Förderprogramme auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene können Anreize schaffen, Investitionen in Sanierung und Heizungsoptimierung zu tätigen. Diese Fördermittel sollten nicht nur finanzielle Unterstützung bieten, sondern vor allem klare und langfristige Planungssicherheit garantieren. Nur so können die Unternehmen langfristige Strategien entwickeln und umsetzen. Gebraucht wird eine finanzielle Unterstützung durch staatliche Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen, denn sie erleichtern die finanzielle Belastung für Unternehmen und Investoren. Darüber hinaus braucht es steuerliche Vergünstigungen für energetische Sanierungsmaßnahmen und den Einsatz nachhaltiger Heizungstechnologien, weil sie hohe Investitionen attraktiver machen können. Und mit gezielten Förderprogrammen für den sozialen Wohnungsbau können auch Mieter mit geringen Einkommen von den Vorteilen energetischer Sanierungen profitieren. Vor allem aber brauchen Wohnungsunternehmen, Investoren, Vermieter und Mieter Planungssicherheit. Damit die aktuellen Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden können, ist eine verlässliche Förderung unerlässlich.
Die Koalition hat mit ihrem Haushalt hoch gepokert und verloren. Damit ist klar, dass die 60 Milliarden irgendwo wieder eingespart werden müssen. Klar ist auch, dass es angesichts hoher Inflation und gestiegener Zinsen an vielen Ecken gleichzeitig brennt. Wer aber will, dass neuer Wohnraum geschaffen und bestehender modernisiert und energetisch ertüchtigt wird, der muss die Förderkulisse stabil und aufrecht erhalten. Ein „heute so – morgen so“ ist der Sargnagel des Wohnungsbaus. ¢
Jörg Bleyhl