Themenserie: Schäden an der Fassade (Teil 3)
In den letzten Jahren wird in den Fachmedien zunehmend über die Instandsetzung alter Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) berichtet. Hierbei steht immer das Aufdoppeln oder Überdämmen im Fokus. Der nachfolgende Beitrag wird aufzeigen, dass die Instandsetzung deutlich mehr Aspekte beinhaltet und neben einer technischen Betrachtung vor allem auch rechtliche Aspekte zu berücksichtigen sind. Denn selbst bei der putz- oder anstrichtechnischen Renovierung oder bei Nachbesserungen im Rahmen der Gewährleistung kann bereits der Verlust der bauaufsichtlichen Zulassung drohen.
Instandsetzungen an Wärmedämm-Verbundsystemen werden notwendig, wenn das gesamte System oder Teile davon Abweichungen vom Soll-Zustand aufweisen. Hierbei kann es sich um Nachbesserungen im Rahmen der Gewährleistung handeln (zum Beispiel bei Kalziumkarbonatausblühungen), kleinere Reparaturen sowie Aus- und Nachbesserungen (zum Beispiel an den Anschlüssen) oder um einfache Renovierungen (zum Beispiel neue Anstriche bei Verschmutzungen). Die Beseitigung von Schäden (zum Beispiel bei Rissen oder Abplatzungen) wird der Sanierung zugerechnet. Maßnahmen zur Verbesserung des ursprünglichen Soll-Zustands (zum Beispiel Aufdoppeln oder Überdämmen durch ein neues WDVS) wird als Modernisierung bezeichnet. Der Vollständigkeit müssen auch der Rückbau und die Entsorgung des alten WDVS sowie die Montage eines neuen Wärmedämm-Verbundsystems erwähnt werden. Allein aus diesen unterschiedlichen Möglichkeiten ergibt sich eine differenzierte Vorgehensweise in Bezug auf die Zustandsanalyse und gegebenenfalls Fachplanung, bauphysikalische Berechnungen oder Untergrundprüfungen, unter Umständen auch rechtliche Aspekte.
Die Zustandsanalyse ist bedeutend
Wesentliche Aufgabe der Zustandsanalyse ist die Ermittlung der Schadenstiefe möglicher Schäden. Handelt es sich „nur“ um einen mangelhaften Oberputz oder sind Risse oder Abplatzungen und Hohlstellen in der Armierungsschicht festzustellen? Außerdem sollte die Schadensursache ermittelt werden. So muss unterschieden werden, ob es sich um Alterungserscheinungen, Planungs-, System- oder Verarbeitungsfehler handelt. In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, wann und in welcher Form sich erstmals Schäden gezeigt haben und wie der Schadensmechanismus verlaufen ist. Dies ist für das Instandsetzungskonzept zwischen „Kosmetik oder Rückbau“ elementar.
Die verschiedenen Instandsetzungsmaßnahmen werden in Renovierung, Sanierung und Modernisierung unterschieden:
- WDVS-Ren-Typ I: Überstreichen der alten Oberfläche
- WDVS-Ren-Typ II: Überputzen der alten Oberfläche
- WDVS-San-Typ I: Erneuern des Oberputzes
- WDVS-San-Typ II: Erneuern der gesamten Putzschicht, Unter- und Oberputz
- WDVS-San-Typ III: Systeme zur Risssanierung
- WDVS-San-Typ IV: Putzträgerplatte und neues Putzsystem
- WDVS-San-Typ V: Instandsetzung durchfeuchteter Systeme
- WDVS-San-Typ VI: Nachverdübelung
- WDVS-Mod-Typ I: Rückbau/Abriss und Neuaufbau
- WDVS-Mod-Typ II: Aufdoppeln/Überdämmen mit einem neuen WDVS
Mit der Modernisierung von alten Wärmedämm-Verbundsystemen soll die Funktionssicherheit des WDVS verbessert und dabei den heutigen technischen Anforderungen angepasst werden. Hierbei werden grundsätzlich zwei verschiedene Konzeptionen umgesetzt: entweder wird das alte WDVS zurückgebaut (Abriss) und durch ein neues WDVS ersetzt oder ein altes WDVS überdämmt oder aufgedoppelt.
Konzeption 1: Rückbau des WDVS
Ein Rückbau des ausgeführten Systems kann bei folgenden Gründen erforderlich sein:
- besonders schwerwiegender Schwund der EPS-Platten, wenn ungeeignetes Material verarbeitet wurde,
- keine Punkt-Rand-Verklebung und Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Klebeflächenanteils,
- starke Verwölbung (Schüsselung) der Dämmplatten einschließlich Verlust der Haftung der Plattenränder am Untergrund,
- Schädigung der EPS-Platten durch Weichmacher in der Gewebebeschichtung,
- Quellung des Untergrunds im Holzbau,
- oder Salzausblühungen im Extremfall.
Hierbei ist wichtig zu unterscheiden, dass nicht zwangsläufig Schäden vorliegen müssen. Auch rechtliche Gründe (Nichteinhaltung der zugesicherten Eigenschaften) können Ursache für einen geforderten Rückbau sein. Hierzu gehört zum Beispiel die Verwendung des falschen Dämmstoffs (ungenügender Brandschutz) oder das Vermischen der einzelnen Komponenten von verschiedenen Anbietern von Wärmedämm-Verbundsystemen. Ein derartiges WDVS hat keine gültige bauaufsichtliche Zulassung, sodass der Verarbeiter die Gewährleistung des Herstellers verliert.
Abbruch und Neuaufbau können auch dann notwendig werden, wenn die Dämmstoffplatten durch ständige Feuchteexposition unbrauchbar geworden sind. Hierfür können starke Hinterfeuchtungen (zum Beispiel bei Durchdringungen und anschließende Durchfeuchtung über einen längeren Zeitraum oder bei sporadischen Wasserschäden wie Hochwasser) verantwortlich sein. Außerdem werden Abbruch und Neuaufbau eines WDVS notwendig, wenn die mangelhafte, nicht standsichere Befestigung am Untergrund als Schadensursache mit üblichen Maßnahmen unter Anlegung wirtschaftlicher Maßstäbe nicht korrigiert werden kann. Dann muss das gesamte System aufwendig bis zum Untergrund entfernt und ein neues WDVS in folgenden Arbeitsschritten aufgebracht werden:
- Abriss der alten schadhaften WDVS-Fassade, das heißt Dämmstoff, Unterputz, Gewebe, Dübel und Oberputz restlos abtragen,
- Entsorgung als Mischbauschutt nach amtlichen Vorgaben,
- Prüfung und Vorbehandlung des Untergrunds, das heißt Entfernen der Kleberrückstände, Abschlagen des losen Putzes und Putzausgleich, Reinigung, Grundierung,
- Verlegen, das heißt Kleben und gegebenenfalls Dübeln der neuen Dämmplatten mit einer Dicke entsprechend der aktuellen EnEV,
- Unterputz einschließlich Gewebeeinbettung und Diagonalbewehrung herstellen,
- bei mineralischen Unterputzen und Oberputzen mit Rillenstruktur Voranstrich aufbringen,
- Oberputz auftragen, strukturieren und gegebenenfalls mit Fassadenfarbe beschichten,
- Ausführung der neuen Detaillösungen unter anderem an Fensterbänken und Dachrandabschlüssen.
Konzeption 2: Erweiterung des WDVS
Wenn es die baulichen Gegebenheiten wie zum Beispiel ein ausreichender Dachüberstand, Überstände an Fensterbänken und Fallrohren zulassen, kann die Instandsetzung eines geschädigten Wärmedämm- Verbundsystems auch durch ein Aufdämmen beziehungseise Aufdoppeln erreicht werden. Hierzu wird ein altes WDVS mit einem kompletten neuen System überdämmt. Die wichtigste Beurteilungsgröße ist die Standsicherheit des vorhandenen Wärmedämm-Verbundsystems sowie die Trag- und Klebefähigkeit der alten Systemoberfläche. Aus diesem Grund müssen umfangreiche und sorgfältige Untergrundprüfungen durchgeführt werden, bevor alte Wärmedämm-Verbundsysteme mit einem neuen System überdämmt werden.
Des Weiteren müssen An- und Abschlüsse beachtet werden, da zum Beispiel Fensterbänke und Fensterlaibungen auf die Dicke des alten Wärmedämm-Verbundsystems dimensioniert sind. Man kann also nicht einfach ein altes WDVS mit einem neuen versehen, ohne nicht auch die Details ausführlich zu planen. In jedem Fall muss sichergestellt werden, dass es im Bereich der An- und Abschlüsse nicht zu einem Eindringen von Feuchtigkeit kommt.
Neben der Beseitigung von Schäden wie zum Beispiel Abplatzungen und/oder Rissen ist dieses Instandsetzungsverfahren mit einer wesentlichen Verbesserung des Wärmeschutzes der Außenwand verbunden. Die Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens ist in der Regel gegeben, wenn folgende Faktoren vorliegen:
- nicht mehr zeitgemäße hohe Transmissionswärmeverluste der Fassade,
- Abzeichnungen der Dämmplattenfugen, der Dübel und der Halteleisten bei Befestigung mit dem Schienensystem,
- hohe Wärmeverluste über lineare und/ oder punktförmige Wärmebrücken,
- schlechter Zustand des Oberputzes einschließlich Beschichtung.
Für den Vorgang des Aufdoppelns oder Überdämmens der zu klebenden und zu dübelnden Neusysteme ist aus baurechtlichen Gründen eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Allerdings muss Folgendes beachtet werden: Im Markt hält sich die Meinung, dass sich diese Aussage immer nur mit dem Aufdoppeln oder Überdämmen eines bestehenden WDVS mit einem neuen WDVS bezieht. Hierbei wird ignoriert, dass auch eine rein kosmetische Maßnahme oder einfache Renovierungen bereits zum Verlust der Zulassung und somit einer Rechtsfalle führen können. Denn in den bestehenden Zulassungen ist der Schichtaufbau eindeutig definiert: Auf die Wärmedämmplatten erfolgen eine Armierungsschicht und eine Schlussbeschichtung, in der Regel ein Oberputz. Für beides werden die Schichtdicken und Materialverbräuche pro Quadratmeter beschrieben. Über die Zulassungen ist somit nicht geregelt, dass auf den bestehenden Schichtaufbau eine zusätzliche Armierungsschicht und ein zusätzlicher Oberputz aufgetragen werden darf. Denn, dieser zusätzliche Materialauftrag kann schnell ein zusätzliches Flächengewicht von 10 bis 16 Kilogramm pro Quadratmeter ausmachen. Und dies wiederum kann die Standsicherheit erheblich beeinflussen.
Wer haftet bei auftretenden Schäden?
Sich hinter der bauaufsichtlichen Zulassung zu verstecken wird dann den oder die Beteiligten nicht schützen. Je nach Fall haften Architekt und/oder ausführende Firma gleichermaßen, da das Bauordnungsrecht einzuhalten ist und die allgemein anerkannten Regeln der Technik geschuldet sind. Interessant in dem Zusammenhang ist die Feststellung, dass sich eine ausführende Fachfirma nicht blind darauf verlassen darf, was der Architekt vorgibt, da auch der Fachunternehmer eine Prüfungsund Hinweispflicht nach Paragraf 4 Absatz 3 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen hat und aufgrund seiner Fachkenntnis wissen oder erkennen sollte, ob ein WDVS nach gültiger Zulassung geplant und ausgeschrieben wurde. Gleiches gilt im Übrigen auch für den Sachverständigen, der diese Art der Instandsetzung empfiehlt. Weitere Ausführungen zur Haftung sollen an dieser Stelle unterbleiben, da jeder Einzelfall individuell betrachtet und die jeweiligen Rechtsverhältnisse beachtet werden müssen.
Einige Juristen gehen sogar so weit, dass selbst die Renovierung eines Wärmedämm- Verbundsystems im Rahmen der Gewährleistung unter Umständen einen Verstoß gegen die Zulassung darstellt und/oder die Überarbeitung eines alten WDVS nur mit Materialkomponenten erfolgen darf, die dem ursprünglichen WDVS entsprechen. Hierzu wird es spannend sein, die Entscheidung in einem Präzedenzfall abzuwarten.
Frank Frössel Sachverständiger für Bautenschutz und Bausanierung sowie Schimmel- und Feuchteschäden Weitere Informationen können dem Fachbuch „Wärmedämm-Verbundsysteme“ entnommen werden (www.baulino.de). |