Förderungen sind dann sinnvoll, wenn sie nachhaltig Arbeitsplätze schaffen, Marktanreize setzen, um den Anteil gesellschaftlich erwünschter Technologien zu erhöhen oder soziale Ungleichheiten zu nivellieren. Schwierig wird es auch, wenn sie nicht enden. Immer häufiger geraten temporär gedachte Subventionen zur verkaufsfördernden Dauerbezuschussung ganzer Branchen.
Noch 2018 unterstützte der Bund mit knapp 25 Milliarden Euro. Im ersten Corona-Jahr 2020 stieg die Zahl auf 73,5, im Jahr 2021 gar auf rund 112 Milliarden. 2022 schüttete Vater Staat immer noch 71 Milliarden Euro aus. Generell kann man an Subventionen auf zwei Wegen gelangen: Über Steuervergünstigungen – steuerliche Sonderregelungen, die einzelne Sektoren oder Teilbereiche der Wirtschaft begünstigen, oder per Finanzhilfen, also Geldleistungen an private Unternehmen und Haushalte. Die stetigen Mehrausgaben in diesem Bereich sind maßgeblich für den starken Anstieg der staatlichen Subventionen in den zurückliegenden Jahren verantwortlich. Die für 2022 veranschlagten Finanzhilfen sind mehr als dreimal so hoch wie die aus 2019. Die Steuervergünstigungen sind im gleichen Zeitraum um gut ein Fünftel gestiegen. Und es sieht nicht so aus, als ob die Zahl in den nächsten Jahren wieder auf den Wert vor der Pandemie fallen würde. Zu groß sind überall die Begehrlichkeiten.
Vor allem der Ausbau des Energie- und Klimafonds sowie die im Konjunkturpaket zur Bewältigung der Corona-Krise im Jahr 2020 beschlossenen Zukunftsinvestitionen tragen zum Anstieg der Finanzhilfen bei. Insgesamt hätte sich das Subventionsvolumen des Bundes seit 2019 fast verdoppelt, wenn alle Gelder in diesem Jahr wie geplant ausgeschüttet würden. Das war in der Vergangenheit jedoch selten der Fall – der Anstieg dürfte deswegen sowohl für dieses als auch für das vergangene Jahr, für das noch keine finalen Zahlen vorliegen, tendenziell leicht überzeichnet sein. Im Jahr 2019 gab der Bund zum Beispiel 2,2 Milliarden Euro weniger an Subventionen als geplant aus, 2020 waren es 2,7 Milliarden Euro weniger.
Im Jahr 2021 hatten 67 der 128 Finanzhilfen einen Bezug zu den deutschen Klimaschutzzielen und machten mit geplanten Ausgaben rund zwei Drittel des gesamten Finanzhilfevolumens aus. Auch in diesem Jahr bezuschusst der Staat jene Bereiche am stärksten, die Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen.
Ganze Branchen von Beratern und Herstellern leben inzwischen ziemlich gut von den üppig fließenden Geldern. Und das lockt Profiteure an. Berlin ist zum Mekka der Lobbyisten geworden, die fleißig um Subventionen für ihre Branche werben. Man denke nur an die sinnfreie und Ressourcen verschwendende Abwrackprämie, die im Jahr 2009 auf massives Betreiben des Ex-Verkehrsministers Wissmanns für seinen neuen Arbeitgeber, den Verband der Automobilindustrie, von der Regierung eingeführt wurde. Schließlich möchte jede Branche was vom Kuchen haben. Die Folge ist, dass immer mehr Branchen direkt von der Förderung abhängig sind. Sobald die Förderung wegfällt, ist das Geschäftsmodell passé.
Es gibt in Deutschland und Europa inzwischen so viele verschiedenen Förderprogramme, dass kein Laie sie überschauen kann. An der Stelle kommen Fördermittelberater ins Spiel, die eine Schneise durch den Förderdschungel bis zum passenden Geldtopf schlagen. In Deutschland gibt es mehr als 2500 Förderprogramme für Unternehmen und Dutzende für Eigentümer von Immobilien.
Auch im Gebäudebereich wird üppig ge fördert: Wärmedämmung, neue Fenster, Außentüren und Tore, sommerlicher Wärmeschutz, barrierefreier Umbau, digitale Systeme zur Betriebs- und Verbrauchs optimierung, Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik; Kältetechnik zur Raumkühlung; energieeffiziente Beleuchtungssysteme, Lüftungsanlagen, die Optimierung bestehender Heizungsanlagen, Einbau einer Heizung mit erneuerbaren Energien oder PV-Anlagen, Beratung, Fachplanung und Baubegleitung und vieles mehr. Keine Heizungsanlage, keine WDVS-Platte, keine PV-Anlage und kein isolierendes Austauschfenster wird noch ohne Förderung verkauft.
Wie abhängig der wirtschaftliche Erfolg von der Förderung ist, ließ sich gut an der Wärmepumpe oder Pelletheizungen ablesen. Bei der Wärmepumpe brachen die Verkaufszahlen dramatisch ein. Nur 48.804 Anträge für die Förderung der Wärmepumpe wurden im ersten Halbjahr 2023 gestellt. Im Vorjahreszeitraum waren es noch doppelt so viele. Branchenkenner führen den Rückgang auf die unsichere Fördersituation beim sogenannte Heizungsgesetz zurück. Inzwischen sind ganze Wirtschaftszweige abhängig von den staatlichen Milliarden.
Ein Paradebeispiel dafür war die deutsche Solarbranche, die mit der deutschen Erfindung seit den 1990er Jahren auf dem Höhenflug war. 2012 war der Traum dann aus. Seither beherrschen chinesische Unternehmen mit der kopierten Technologie den Markt. Das Handelsblatt titelte damals: „Deutsche Solarbranche vor der Sonnenfinsternis“. Und weiter: „Mit Milliardensummen hält die Politik die deutsche Solarindustrie am Leben. Doch eine Studie zeigt: Der frühe Tod der einstigen Vorzeigebranche ist nicht mehr aufzuhalten.“ Den Hauptgrund für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit deutscher Solarfirmen sieht die Wirtschaftszeitung ausgerechnet in der deutschen Subventionspraxis. In dem Artikel heißt es weiter: „Die üppige, von den Stromkunden bezahlte finanzielle Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ließ die Firmen träge werden. Sie verführte die einstigen Vorreiter zur Bequemlichkeit, sie nahm ihnen, wie ein schleichendes Gift, die Innovationskraft. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung blieben „gefährlich gering“, so das Zentrum für Solarmarktforschung (ZSF). Der koreanische Konzern LG etwa gibt an, seit 2009 genau 172 Patente angemeldet zu haben. Bei Solarworld waren es 75. Um welche Dimensionen es bei der Förderung geht, zeigt ein vertrauliches Strategiepapier des Bundesumweltministeriums, das dem Handelsblatt vorliegt. Darin werden erstmals Berechnungen von Experten bestätigt, wonach alle bis heute [Stand 2012] installierten EEG-Anlagen bis 2031 Fördergelder von 150 Milliarden Euro erhalten. Allein auf die Solarindustrie entfallen 85 Milliarden Euro.“
Die wichtige Botschaft des Artikels ist: Ein stets gedeckter Tisch macht träge. Eine Branche, die wie von selbst stets gut verdient weil sie üppig subventioniert ist, wird träge und verliert ihre Innovationskraft. Den Rest besorgt irgendwann der internationale Wettbewerb. Welche Branche wird die nächste sein?
Inzwischen tanzen Politik, Wirtschaft und Verbände im Vorfeld von Gesetzesänderungen einen komplizierten Reigen rund um die Größe und Ausgestaltung der Fördertöpfe. Umwelt-NGO wie die „Deutsche Umwelthilfe“ beschwören die „Klimakatastrophe“ herauf, wenn die Förderung beschnitten wird. Die Zeitung mit den großen Buchstaben wettert gegen den „Heizungsirrsinn“, und die Politik versucht seit 20 Jahren verzweifelt, die Sanierungsquote im Bestand auf 2 Prozent pro Jahr anzuheben, um die Klimaziele von Paris zu erfüllen. In dieser Gemengelage möchte ich nicht Politiker sein.
Dauersubventionen für Heizungen, Baustoffe können zu einer Verzerrung des Marktes führen, weil sie bestimmte Technologien bevorzugen – Wärmepumpe – und andere – Holzpelletöfen – benachteiligen. Dies kann zu Wettbewerbsverzerrungen und, wie man am Solarbeispiel sieht, ineffizienten Investitionen führen. Subventionen verteilen immer um Das Geld aller kommt wenigen Besitzenden zugute. Ob das immer sozial gerecht ist, muss jeder selbst entscheiden. Doch insgesamt müssen wir von der Subventionitis weg und nur noch punktgenau das fördern, das gesamtgesellschaftlich sinnvoll ist.
Jörg Bleyhl