Die Telekom drückt auf das Gaspedal beim Ausbau des Glasfasernetzes. Mit rund 2,5 Milliarden Euro jährlich will das Bonner Telekommunikationsunternehmen das Glasfasernetz rasch ausbauen. Wir sprachen mit Jean-Pascal Roux, Senior Vice President Wohnungswirtschaft und Breitbandausbau bei der Telekom über die Pläne zur Umsetzung des Vorhabens und über die Auswirkungen für die Wohnungswirtschaft.
| Herr Roux, das neue Telekommunikationsgesetz ist nach der Zustimmung im Bundesrat im Mai in trockenen Tüchern. Wer darf sich als Gewinner fühlen?
Jean-Pascal Roux: Das neue Gesetz zielt auf die Beschleunigung des Glasfaserausbaus und insofern dürfen sich alle als Gewinner fühlen: Verbraucher, Wohnungswirtschaft, Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt. Die Glasfaser ist die digitale Lebensader Deutschlands, deshalb ist es im öffentlichen Interesse, dass sie als Standard für digitale Grundversorgung in die Immobilien einzieht.
| Der GdW sieht in der Beschlussfassung einen schlechten Tag für die über 12 Millionen Mieterhaushalte. Teilen Sie diese Auffassung?
Für die Mieterhaushalte es ein Gewinn, weil sie künftig frei entscheiden können, über welche Infrastrukturen sie Internet, Telefon und Fernsehen in die Wohnung kommen – sei es Kabel, DSL, Glasfaser, Mobilfunk oder eine Mischung daraus. Das öffnet den Markt für den Wettbewerb, das führt zu attraktiven Preisen und Angeboten. Deshalb haben gerade die Verbraucherzentralen und Mieterschützer das Ende der Umlagefähigkeit der Kabelgebühren mit großem Nachdruck gefordert.
| Mit der Neufassung geht auch die Umlagefähigkeit der Kabel-TV-Kosten verloren. Vermieter können jedoch ein sogenanntes Glasfaserbereitstellungsentgelt als Betriebskosten umlegen. Ist diese Vorgabe nicht eher eine Hürde im schnellen Netzausbau oder gar ein „Rohrkrepierer“, wie GdW-Chef Axel Gedaschko meint?
Für den Gebäudeeigentümer ist es heute elementar wichtig, seinen Mietern eine hochmoderne Medienversorgung anbieten zu können – um deren Bau, Betrieb, Finanzierung und Abrechnung er sich bestenfalls nicht weiter kümmern muss. In den letzten Jahren haben sich die meisten Wohnungsunternehmen von sich aus von der Umlage der Kabelgebühren verabschiedet und ihren Mietern das Wahlrecht gegeben. Nur knapp die Hälfte der Kabelhaushalte zahlen sie noch über die Nebenkosten. Und: Mieter wollen heute zunehmend individuelle Verträge für Internet, Telefon, Mobilfunk, Fernsehen und Streaming abschließen und von den damit einhergehenden Preisvorteilen profitieren. Man sieht auch im Konsumverhalten: der Trend geht weg vom linearen Fernsehen, hin zu Streaming und Mediatheken. Für die schnelle Akzeptanz der Glasfaser ist es wichtig, dass der Mieter jetzt alle Möglichkeiten bekommt, aber auch neue Freiheiten – ohne sich viele Jahre auf einen Anbieter festlegen zu müssen. Ich bin überzeugt, dass wir der Wohnungswirtschaft maßgeschneiderte Angebot machen werden, ihre Bestände mit Glasfaser zu modernisieren: verlässlich, hochwertig und maximal verbraucherfreundlich.
| Herr Roux, Sie verantworten bei der Telekom entscheidend die Beziehungen und den Austausch mit der Immobilienwirtschaft. Ihre Handschrift wird deutlich in den aktuellen Plänen der Telekom, den Glasfaseranschluss direkt ins Gebäude beziehungsweise die Wohnung zu bringen. Sie verzichten dabei darauf, den Kunden zu binden. Wer lieber Vodafone, O2 oder 1&1 nutzen möchte, kann das tun. Wo ist der „Haken“ an der Sache?
Der Zeitfaktor. Mit dem Glasfaseranschluss verhält es sich wie mit den Corona-Impfungen: er ist extrem wichtig, aber wir schaffen nicht alles auf einen Schlag. In vielen Regionen sind wir mit dem Bau der Leitungen schon so weit, dass wir nur noch die letzte Meile bis in die Wohnungen bauen müssen; in anderen hat die Aufholjagd begonnen. Unser Prinzip heißt „Glasfaser folgt der Wohnungswirtschaft“, das bedeutet, dass wir den Ausbau in den Orten vorziehen können, wo sich ein oder mehrere Wohnungsunternehmen sich zur Aufrüstung größerer Bestände bereit erklärt. Hier kann die Wohnungswirtschaft vor Ort gemeinsam mit der Kommune, den Wirtschaftsverbänden und Bürgervereinigungen eine Priorisierung herbeiführen. Haken gibt es keine: Weder Wohnungswirtschaft noch Mieter sind zu vertraglichen Gegenleistungen verpflichtet. Die Telekom ist ein staatlich reguliertes Unternehmen; das garantiert Mietern und Vermietern Sicherheit, Vertrauenswürdigkeit und
Fairness.
| Wohnungsunternehmen handeln und entscheiden häufig nach dem Prinzip „Herr im eigenen Haus“ zu bleiben. Wie sehen Ihre Modelle dazu aus – wem gehört die Glasfaser-Infrastruktur im Gebäude in Zukunft?
Jedes Wohnungsunternehmen hat die Wahl, die Netze in Eigenregie zu errichten. Es kann bis zu acht Prozent der Investitions-Kosten auf die Nettokaltmiete aufschlagen, gemäß der üblichen mietrechtlichen Regelungen. Anders als beim Kabelfernsehen bisher setzt der Gesetzgeber also Obergrenzen bei der Umlagefähigkeit, sowohl in der Höhe als auch bei der Laufzeit. Der Grund ist ein Bedeutungswandel der Medienversorgung: Die Glasfaser gilt als essenzielle Gebäudeinfrastruktur, für die besondere Spielregeln gelten. Der Gesetz – geber hat zudem die Verbraucherrechte gestärkt: es gelten deutlich kürzere Mindestvertragslaufzeiten und es gibt ein einklagbares Recht auf schnelles Internet. Für die allermeisten Vermieter ist das Angebot interessanter, sich von der Telekom ein hochprofessionelles Glasfasernetz bauen und betreiben zu lassen.
| Die Glasfaser im Haus soll in Zukunft so selbstverständlich sein, wie Strom, Wasser, Wärme. Noch ist das die reine Zukunftsmusik. Wann wird Deutschland über ein flächendeckendes Gigabit-Netz verfügen?
Die Telekom hat sich die Zielmarke 2030 gesetzt. Dafür hat die Telekom das größte Investitionsprogramm aller Zeiten gestartet und stellen uns organisatorisch neu auf. Gleichzeitig suchen wir auch die Kooperation mit der Wohnungswirtschaft, den Netzebene-4-Betreibern, regionalen Netzbetreibern und auch Stadtwerken – mit Ewe-tel und Netcologne gibt es bereits Partnerschaften.
Gespräch führte Jörg Bleyhl