Soll die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses auf das Fehlverhalten eines Besuchers gestützt werden, das dem Mieter zuzurechnen ist, bedarf es für die Wirksamkeit der Kündigung grundsätzlich einer vorherigen Abmahnung des Mieters.
Der Fall
Die Vermieterin einer Einzimmerwohnung kündigte das im Jahr 2008 geschlossene Mietverhältnis mit Schreiben vom 15.11.2019 außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Die Vermieterin beruft sich in der Kündigung darauf, dass die Mieterin und deren Lebensgefährte sich über ein im Jahre 2015 ausgesprochenes Hausverbot hinwegsetzten. Zudem stützte sie das Kündigungsschreiben darauf, dass der Lebensgefährte am 18.10.2019 einen anderen Mieter mittels eines Pfeffersprays körperlich angegriffen, verletzt und mit „üblen Schimpfworten belegt“ haben soll. Die Vermieterin sah darin eine Wiederholung der im Jahre 2015 abgemahnten Verhaltensweisen. Dem Lebensgefährten wurde zeitgleich erneut ein Hausverbot schriftlich ausgesprochen. Zu Beginn des Jahres 2020 kündigte die Vermieterin erneut das Mietverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Als Begründung nannte sie das Hinwegsetzen über das weiterhin bestehende Hausverbot. Auf dieser Grundlage erhob die Vermieterin Klage auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung. Die Mieterin bestritt den Vorfall vom 18.10.2019 und machte geltend, dass zu keinem Zeitpunkt ein Verhalten vorgelegen habe, der den Ausspruch eines Hausverbots gegen ihren Lebensgefährten hätte rechtfertigen können.
Die Entscheidung
Das zuständige Amtsgericht wies die Klage auf Räumung und Herausgabe ab und führte zur Begründung an, beide ausgesprochenen Kündigungen konnten mangels Wirksamkeit das Mietverhältnis nicht beenden. Der ersten Kündigungserklärung vom 15.11.2019 habe das Begründungserfordernis gefehlt, weil diese ohne vorherige Abmahnung weder als außerordentliche Kündigung nach den §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB noch als ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wirksam sei. Dies gelte auch für die Behauptung, dass der Lebensgefährte der Mieterin einen anderen Mieter körperlich angegriffen haben soll. Denn der Kündigungsgrund hätte so genau bezeichnet werden müssen, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden könne. Mangels namentlicher Benennung des angeblichen angegriffenen und verletzten Mieters seien diese Anforderungen nicht erfüllt gewesen. Aus diesem Grunde sei die Kündigung vom 15.11.2019 bereits formell nicht wirksam gewesen.
Aber auch in materieller Hinsicht sei eine vorherige Abmahnung der Mieterin nicht gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB entbehrlich gewesen, da von der Vermieterin nicht nachgewiesen werden konnte, dass diese offensichtlich keinen Erfolg versprochen hätte und auch ein Verzicht unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Denn der Mieterin hätte in solch einer Fallkonstellation erst recht die Möglichkeit gegeben werden müssen, nach Abmahnung auf ihren Lebensgefährten einzuwirken. Laut Amtsgericht gelte gleiches auch für die hilfsweise ordentlich ausgesprochene Kündigung. Denn auch bei einer ordentlichen Kündigung wegen schuldhafter, nicht unerheblicher Vertragsverletzungen des Mieters müsse ein Mieter erst nach erfolgloser Abmahnung für ein Fehlverhalten seines Besuchers nach § 278 BGB einstehen.
Schließlich konnte auch die Kündigungserklärung vom 22.02.2020 das Vertragsverhältnis laut Amtsgericht nicht beenden, weil es bereits an einer Pflichtverletzung fehlte. Denn bei dem Hausverbot, auf das bereits in der Kündigung vom 15.11.2019 hingewiesen worden war, habe es sich um das Hausverbot aus 2015 gehandelt, das aufgrund der dazwischen liegenden großen Zeitspanne keine Wirkung mehr entfalten konnte.
AG Stuttgart, Urteil vom 11.12.2020 – 35 C 4053/20
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