Was war passiert? „Einer gegen alle“, das würde gut zu einem zum BGH gelangten Fall passen, in dem es letztlich um eine Kostenhaftung des beklagten Verwalters geht: Im Jahr 2011 fassen die Wohnungseigentümer mit einfacher Mehrheit einen Beschluss, der es einem Teileigentümer ermöglicht, seine Sondereigentumsräumlichkeiten im Einkaufszentrum unter Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum umzubauen. Der Geschäftsführer des jetzt verklagten Verwaltungsunternehmens verkündet den Beschluss, wiewohl zumindest die Zustimmung eines den Beschluss später anfechtenden Wohnungseigentümers nicht vorliegt, er hatte mit Nein gestimmt. Nach Klageabweisung in erster Instanz endet das Berufungsverfahren mit einer übereinstimmenden Erledigungserklärung, die Kosten des Verfahrens insgesamt legt das Landgericht den beklagten Wohnungseigentümern auf. Die Kläger verlangen von der Verwaltung Ersatz der ihnen im vorangegangenen Beschlussanfechtungsverfahren entstandenen Kosten.
Die Meinung des Gerichts: Das Ergebnis ist für die klagenden Wohnungseigentümer ernüchternd: Sie verlieren, und zwar durch den Instanzenzug hindurch und auch vor dem BGH. Der BGH differenziert zwischen den Pflichten, die den Verwalter in seiner Funktion als Versammlungsleiter bei der Beschlussergebnisverkündung treffen, er ist insofern kein „Aufsichtsorgan“, und den (vorgelagerten) Pflichten bei Vorbereitung der Eigentümerversammlung bzw. im Vorfeld der Beschlussfassung. Zwar qualifiziert er das Zustimmungserfordernis derjenigen Wohnungseigentümer, die im Sinne von Paragraf 14 Nummer 1 WEG nachteilig betroffen sind (bei einer baulichen Veränderung, so auch im Anlassfall, oft alle!), als besondere Vorgabe der ordnungsmäßigen Verwaltung, die neben den Genehmigungsbeschluss treten muss. Aber er darf auch trotz Fehlens solcher Zustimmungserklärungen zur Beschlussverkündung schreiten, denn die Eigentümerversammlung und ihr geordneter Ablauf lassen im Regelfall ein Mehr, zum Beispiel die Prüfung des möglichen Nachteils eines jeden Wohnungseigentümers, nicht zu. Gleichwohl muss der Verwalter – der BGH spricht insofern vom (auch notwendig rechtliche Erwägungen umfassenden) „Kerngeschäft eines Berufsverwalters“ (!) – im Vorfeld der Versammlung Zustimmungserfordernisse prüfen, der Versammlung entsprechend Mitteilung machen und sie über ein Beschluss anfechtungsrisiko aufklären. Denn er hat „jedenfalls Grundzüge des Wohnungseigentumsrechts (zu) kennen und damit zu klären, ob nicht im gewünschten Fall eine Modernisierung nach Paragraf 22 Absatz 2 WEG ansteht. Unterlässt er die gebotenen Maßnahmen, kommt eine Schadensersatzhaftung aus Pflichtverletzung nach Paragraf 280 BGB in Betracht, sobald seine Einschätzung offenkundig falsch ist, sich also jedermann in seiner Lage hätte aufdrängen müssen.
Ratschlag für den Verwalter: Der BGH zeigt der Praxis einen Weg auf, um aus „dem Schlamassel“ zu kommen: Wenn nämlich der Verwalter in der Annahme, dass erforderliche Zustimmungen einzelner Eigentümer noch fehlen, Bedenken gegen die Verkündung eines auf eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums zielenden, mit einfacher Mehrheit ergangenen Beschlusses hegt, darf er die Wohnungseigentümer ersuchen, ihm (wiederum mit einfacher Mehrheit) Weisung zu erteilen, wie weiter zu verfahren sei. Das dafür zur Verfügung stehende Instrument ist ein Geschäftsordnungsbeschluss. In Vorbereitung der Versammlung wird der umsichtige Verwalter bei Anstehen entsprechender „Bauwilligkeit“ einzelner Wohnungs- oder Teileigentümer vorsichtshalber bereits auf eine „gute“ Tagesordnung achten und die Geschäftsordnungsbeschlussfassung ankündigen für den Fall, dass erforderliche Zustimmungen bis zur Beschlussfassung noch nicht vorliegen. Alternativ käme als Weisung wohl auch in Betracht, die Beschlussverkündung auf das Eingehen der letzten notwendigen Zustimmung zu verschieben: Das ist möglicherweise aber der „Sankt-Nimmerleinstag“. Oder es wird zweistufig verfahren und es werden die Zustimmungen vorab eingeholt, gegebenenfalls auch in laufender Versammlung.
Dokumentation: BGH, Urteil vom 29. Mai 2020 (V ZR 141/19), Entscheidungsabdruck in NZM, Heft 18 vom 25. September 2020.
Der Autor
Rechtsanwalt dr. andreas Kappus, Frankfurt a. M., ist Schriftleiter der Neuen Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Verlag C.H.BECK, München und Frankfurt a. M. Er gehört der Sozietät von Rechts- anwälten Poppe & Kappus an und betreut die Rubrik „Verwalterwissen“ in dieser Zeitschrift seit 2002.
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