Das Projekt zum „seriellen und modularen Wohnungsbau“ des GdW nimmt Fahrt auf. Im Vorfeld der Bautec 2020 lud die Messe zu einer Zwischenbilanz mit beteiligten aus Bundesregierung und Bauindustrie nach Berlin. Mit elementiertem bauen sollen auch Wohngebäude schneller, preiswerter und bei besseren Arbeitsbedingungen erstellt werden als konventionell. neben Lob und Preis sowie der Ankündigung von Folgeprojekten kamen auch offene rechtliche Fragen und kommunaler Gegenwind zur Sprache.
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, kam zeitweise ins Schwärmen: „Wir haben ein Mitgliedsunternehmen, das stellt mittlerweile Besucherbänke auf, reicht Kaffee und Kuchen, denn die Anwohner kommen und bewundern das, wie dann die Bauteile einschweben und innerhalb weniger Tage ein ganz kompletter Bau dasteht, schon mit allen Anschlüssen, inklusive Bad.“ Gedaschko beschrieb damit plastisch die Vorgänge auf einer Baustelle, bei der vorfabrizierte Elemente zu Wohnblocks zusammengesetzt werden – genau wie es der GdW und seine Mitstreiter im „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ im Vorjahr angekündigt hatten.
Details konnte man am Rande des Pressegesprächs von drei Unternehmen erfahren, die sich neben sechs weiteren im Mai 2018 bei einem vom GdW ausgeschriebenen Wettbewerb durchgesetzt hatten. Andreas Schmid, Chef der zur Lechner Group gehörenden Deutschen Modulhausfabrik, bezifferte den Vorfertigungsgrad seiner industriell mit BIM hergestellten Stahlbeton-Raummodule auf über 90 Prozent. Bis hin zu den Steckdosen werden Module, die ein bis zwei Zimmer umfassen, in der Fabrik produziert, elektrisch und hydraulisch vorgeprüft, verpackt und mit dem Tieflader zur Baustelle gefahren. Nach Schmids Angaben kann eine Montagekolonne pro Tag rund 360 Quadratmeter Bruttogeschossfläche montieren. Die Restarbeiten vor Ort dauerten dann noch wenige Wochen.
| Vier Monate für 20 Wohnungen
Die Bauzeit halbiere sich damit gegenüber der konventionellen Bauweise. Peggy Fritze, die den zweiten anwesenden Hersteller Goldbeck vertrat, sprach einschließlich Planung von 12 Monaten; Andreas Rittler gab für die Max Bögl Modul AG der gleichnamigen Firmengruppe sogar nur acht Monate zu Protokoll. Zum Beispiel entfielen beim Wohngebäude Am schwarzen Steg der Vonovia in Bayreuth auf das reine Bauen rund vier Monate; nach den Erdarbeiten dauerte dort die Montage der 60 Module für 20 Wohnungen mit zusammen rund 1300 Quadratmetern Wohnfläche lediglich zehn Tage.
Schnell geht es also, aber das ist noch lang nicht alles. Axel Gedaschko: „Neubau findet heute immer weniger Akzeptanz, weil Neubau bedeutet: in der Nachbarschaft Lärm, Schmutz, Dreck.“ Diese unangenehmen Begleiterscheinungen sind dagegen weitgehend in die Fabrik verbannt bei dieser Art des Wohnungsbaus, die Peggy Fritze treffend mit elementiertes Bauen bezeichnete – denn seriell kann man auch den Plattenbau nennen, bei dem keineswegs komplette Module aus der Fabrik kommen, sondern wo auf der Baustelle Wand für Wand montiert wird; nur eben in großer Serie.
| Feindbild Platte
Platte, das war auch das Stichwort, mit dem Gedaschko eine paradoxe Erscheinung zu erklären versuchte: dass nämlich in manchen Städten – namentlich zum Beispiel in Dresden – Genehmigungen für Gebäude, die mit elementiertem Bauen geplant sind, länger dauern als für konventionelle Bauten. Der GdW-Präsident vermutet dahinter ein Missverständnis: „In den Köpfen vieler Verantwortlicher in den Kommunen (…) erscheint, wenn serielles Bauen genannt wird, sofort irgendwie Platte. Und in Dresden wird dann gesagt: Platte haben wir genug in dieser Stadt – wollen wir nicht mehr.“
Dass es tatsächlich um eine ganz neue Art des Bauens geht – Gedaschko: „Eigentlich haben wir etwas geschaffen, was es so europaweit an keiner anderen Stelle gibt“ –, könne man den Verantwortungsträgern nur durch persönliche Anschauung vermitteln: „Kuckt mal, was heute unter seriellem Bauen läuft, welche hohe Qualität das hat – sowohl bauliche als auch architektonische Qualität. ‚Wat de Buur nich kennt, dat frett he nich.’“
Nach Dieter Babiel, dem Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, kommt die Öffentlichkeitsarbeit bei diesem Thema bisher sowieso zu kurz: „Die gesamte Branche kruschtelt vor sich hin, bringt Probemlösungen heute, und wir behalten das weitestgehend für uns.“ Für ihn ist elementiertes Bauen ein Aufhänger, um der Bautec „einen ganz anderen Rahmen zu verschaffen, also wirklich auch in Konkurrenz zu treten mit anderen, größeren Baumessen in Deutschland.“ Babiel ging gleich ans Werk und nannte einen weiteren Vorteil des elementierten Bauens. „Die Arbeitsbedingungen verändern sich: Das Bauen, das Arbeiten am Bau wird total attraktiv. Man kann in der Halle vorproduzieren.“ Mit anderen Worten: Statt bei Wind und Wetter wird hauptsächlich in einer geschützten Fertigungshalle gearbeitet.
| Zusätzliche Baukapazität
Babiel deutete damit einen Punkt an, den man in der Branche einige Jahre zuvor noch nicht so klar gehört hat: Dass nämlich die personelle Kapazität zum Engpassfaktor geworden ist. Anne Katrin Bohle, Staatssekretärin im Innenministerium, illustrierte das mit einer Zahl: Laut Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung dauere es im Mittel „223 Tage, um einen Gesellen in der Klimatechnik zu finden“.
Axel Gedaschko berichtete, viele GdW-Unternehmen müssten Vergabeverfahren aufheben, „weil teilweise gar kein Gebot mehr kommt auf bestimmte Gewerke.“ Das führe dazu, dass zwar ein genehmigter Bauantrag da sei, das Gebäude aber nicht realisiert werden könne. „Deshalb geht es auch ein Stück weit darum, auf diese Art und Weise in den Fabriken Kapazitäten zu gewinnen, die wir heute noch nicht haben.“
Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, schränkte ein: „Das konventionelle Verfahren wird durch dieses Verfahren nicht komplett abgelöst werden.“ In der Innenentwicklung werde es schwierig sein, passgenau mit vorgefertigten Elementen zu operieren. – Schwierig, aber offenbar nicht unmöglich: Gedaschko erzählte von einem Bauvorhaben im südhessischen Idstein, wo mitten in ein dicht bewohntes Siedlungsgebiet zwei neue Häuser eingepasst worden seien.
Ein Punkt, mit dem zu Beginn des GdW-Projekts stark argumentiert worden war, tauchte im Pressegespräch nach 20 Minuten erstmals auf: eine Kostensenkung durch die Vorfertigung. Peggy Fritze nannte für Goldbeck Bruttopreise für die Kostengruppen 300, 400 und 700 von 2100 bis 2300 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Das Unternehmen rangiert damit etwas unter dem Mittel (Median) aller neun Wettbewerbsgewinner, der bei 2370 Euro pro Quadratmeter liegt. Dieser Wert wiederum unterbietet etwas den Median der klassischen Bauerstellung in Großstädten, den die ARGE Kiel für 2016 mit 2444 Euro pro Quadratmeter ermittelt hat.
| Gedaschko: „sanfte Kostenrevolution“
Axel Gedaschko erinnerte zur Einordnung daran, dass der Preis im Wettbewerbsprojekt für fünf Jahre fest sei, erwähnte allerdings nicht die Gleitklausel nach dem Baukostenindex. Der GdW-Chef sprach dennoch von einer Schere und formulierte es so: „Ganz Schlaue haben gesagt, als die Preise aufgerufen wurden: Na ja, das ist keine Revolution. Richtig, aber man hat eines erreicht: Man hat eine sanfte Kostenrevolution auf dem Status quo erreicht, und der Status quo wächst weiter.“
Gedaschko erwähnte außerdem nicht ohne Stolz, dass mittlerweile 15 Wohnungsunternehmen Bauleistungen nach der Rahmenvereinbarung bestellt hätten, die aus dem GdW-Wettbewerbsprojekt hervorgegangen ist. Zusätzlich gebe es viele Unternehmen, die jenseits dieses Wettbewerbs bei den neun erfolgreichen Herstellern kauften. Man überlege außerdem, einen weiteren Wettbewerb zu machen. Zudem tut sich offenbar auch an der Sanierungsfront etwas, wie Gedaschko nur andeutete („Das können wir jetzt heute noch nicht verraten“): Bei Verhandlungen mit den niederländischen Energiesprong-Sanierern müsse ein bestimmtes Volumen vorliegen, um beginnen zu können; und „wir sind da auf einem extrem guten Weg.“
| Rechtsfragen
In Richtung Innenministerium äußerte Axel Gedaschko einen Wunsch zum Vergaberecht. Zwar entfalle für kommunale Unternehmen oder solche, die öffentliche Mittel in Anspruch nehmen, das aufwendige europarechtliche Vergabeverfahren. „Was aber nicht entfällt im Moment noch, ist innerhalb der Siegergruppe dann ein internes Wettbewerbsverfahren. Wir würden uns wünschen, dass künftig unsere Unternehmen einfach das nehmen können, was sie eigentlich auch wirklich wollen und dieses Mini-Vergabeverfahren sich sparen können.“ Mit der Antwort zögerte Anne Katrin Bohle bis zum Schluss der Veranstaltung und sagte dann diplomatisch: „Am Vergaberecht werden wir uns wahrscheinlich verheben.“
Ein weiteres rechtliches Problem hatte Gedaschko bereits beim Wohnungsbau-Tag 2018 angesprochen: Damit die standardisierten Bauelemente nicht in jedem Bundesland einzeln genehmigt werden müssen, sei es nötig, dass alle Bundesländer das Instrument der Typengenehmigung aus der Musterbauordnung der Bauministerkonferenz in ihre jeweilige Landesbauordnung übernehmen. Darauf angesprochen sagte Anne Katrin Bohle, dieses Übernehmen sei ein „ganz normales Gesetzgebungsverfahren“, und die Länder packten ja nicht jedes Jahr die Landesbauordnung an. Das klingt, als ob Hersteller und Wohnungsgesellschaften noch lange auf diese Vereinfachung warten müssten. Bohle sagte allerdings auch, sie sehe „das Problem so ganz“. Wenn es schon eine Typengenehmigung gebe, prüfe das nächste Bundesland nicht wieder neu, sondern man „adaptiere natürlich untereinander“.
Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, sagte dazu: „Im Prinzip kann ich ein Modul so herstellen, dass es in jedem Bundesland akzeptiert werden würde – wenn ich (…) zum Beispiel bei Brüstungen, Absturzhöhen oder Abständen zwischen Geländerstäben die jeweils schärfste Vorschrift nehme.“
Alexander Morhart
https://gdw.de/wohnen-und-stadt/serielles-bauen
www.bautec.com